Bericht vom 1. Weltkongress der IVPA in Warschau

Am 6. und 7. März 2020 fand in Warschau der 1. Weltkongress der IVPA statt. IVPA steht für International Veterinary Pigeon Association (Internationale taubentierärztliche Vereinigung). Der Kongress stand unter der inspirierenden Leitung von Prof. Dr. hab. Piotr Szeleszczuk. Er ist auch die treibende Kraft hinter der Organisation von derartigen Kongressen, an der anfangs nur polnische Tierärzte und fortgeschrittene Studenten der Tiermedizin teilnahmen, aber seit einigen Jahren auch europäische Kollegen. Und nun ist es also ein Weltkongress mit zirka 100 Teilnehmern geworden.

Professor Szeleszczuk ist eine sympathische Persönlichkeit mit einem großen Herzen für Tauben. Seit dem tragischen Einsturz der Ausstellungshalle in Katowice am 28. Januar 2006 sind wir gute Freunde geworden. An diesem verhängnisvollen Tag, an dem es 66 Opfer gab, hatten wir noch zusammen mit mehreren polnischen und deutschen Taubenfreunden in dieser Halle geluncht. Zu dem Zeitpunkt waren noch schätzungsweise 15.000 Besucher in der Halle, aber als die Halle um 17.15 Uhr einstürzte, waren nur noch etwa 350 Personen, hauptsächlich Standbetreiber und ihre Mitarbeiter, anwesend. Ich hatte Glück, dass ich nach 2,5 Stunden von polnischen Rettungskräften unter den Trümmern hervorgeholt wurde und nur eine blutende Wunde am Kopf hatte. Man wagt gar nicht daran zu denken, was passiert wäre, wenn die Halle einige Stunden früher eingestürzt wäre. Dann wäre die Zahl der Toten mit der von 9/11 (nine eleven) in den USA vergleichbar gewesen.

Bei dem Kongress gab es eine Reihe sehr interessanter Vorträge von internationalen Autoritäten wie Dr. Krzysztof Smietanka (PL) über die Veränderungen der epidemiologischen Landschaft von Infektionen mit Pigeon Paramyxovirus Typ 1 (PPMV-1) in den letzten 40 Jahren. Ein Thema, über das ich in den letzten 30 Jahren auch viel geschrieben habe. Des Weiteren gab es einen Vortrag von Prof. Dr. Celia Albolnik von der Universität Pretoria, Südafrika. Sie ist eine Autorität auf dem Gebiet von Influenza bei Tauben und anderen Vögeln. Die Schlussfolgerung aus ihren Untersuchungen und Literaturstudien lautet, dass unsere Tauben bei der Übertragung und Verbreitung der „Vogelgrippe“ (Influenza) keine große Rolle spielen. Das ist natürlich von grundlegender Bedeutung in Bezug auf die einschränkenden Maßnahmen, die uns die Behörden im Falle eines Ausbruchs von Influenza bei Geflügel auferlegen.

Anschließend war die Reihe an Dr. Lydia Mohr von der tiermedizinischen Fakultät der Universität Hannover (D). Sie sprach über Herpes bei Tauben und sagte, dass ein sehr großer Prozentsatz  unserer Tauben latent mit dem Herpes-Virus infiziert ist, was wir aus der Praxis auch schon lange wussten. Weil so viele Elterntiere latente „Träger“ sind (ohne Symptome also), soll die Krankheit bei Jungtieren nur auftreten können, wenn die Eltern der Jungtiere keine latenten Träger sind, weil sie dann von den Eltern keine Immunität über die Kropfmilch und das Ei mitbekommen. Die Konsequenz daraus ist, dass man Jungtauben also nicht gegen Herpes impfen müsste.

Dr. Tomasz Stenzel (PL) hielt einen interessanten Vortrag über die Rolle von Circoviren bei Tauben. Auch dabei gibt es wieder verschiedene Subtypen des Virus‘. Seit 2006 dachte man, dass Circoviren, die normalerweise bei den meisten gesunden Jungtauben vorkommen, für die sogenannte Y.P.D.S. (Young Pigeon Disease Syndrome) verantwortlich sind, laut Untersuchungen von u.a. Freick und Duchatel und anderen. Aber davon hat sich die Wissenschaft jetzt distanziert. Man geht davon aus, dass Circoviren (PiCV) die allgemeine Widerstandskraft unterdrücken. Circoviren kommen bei vielen Tierarten vor, und weil es mehrere Subtypen gibt, ist es schwierig, einen wirksamen Impfstoff herzustellen.

Der zweite Tag des Kongresses begann mit einem interessanten Vortrag von Dr. Dennis Rubbenstroth, einem Virologen vom Friedrich -Loeffler-Institut Greifswald (D). Dr. Rubbenstroth, ein Kollege von mir beim tierärztlichen Komitee des FCI, hat die Verbindung zwischen dem Rota A-Virus, das 2016 in Australien für den Tod von vielen alten und jungen Tauben sorgte, und Y.P.D.S. gefunden. Er arbeitet auch mit Dr. Krzysztof Adamczyk aus Warschau und Dr. Lydia Mohr aus Hannover zusammen. Das ist eine wichtige Entdeckung, aber für die praktizierenden Taubentierärzte bleiben noch viele Fragen offen. Lange dachte man, dass dieses Y.P.D.S., auch „Adeno-Coli-Syndrom“ genannt, durch ein Adeno-Virus Typ I plus einer E.Coli-Bakterie verursacht würde. In Deutschland nannte man die Krankheit zuerst Mooskrankheit, verursacht durch Moos aus der Dachrinne. Später nannten es die deutschen Kollegen das „Geschwollener-Darm-Syndrom“. Eine Reihe führender internationaler Forscher hat die E.Coli-Bakterie mit allen ihren verschiedenen und wechselnden Sero-Gruppen viele Jahre für verantwortlich für einen bedeutenden Teil von Y.P.D.S. gehalten. Dr. Volker Schmidt hat unter anderem darüber 2007 an der Universität von Leipzig promoviert. Zum Schluss geht Dr. Rubbenstroth et al. also davon aus, dass das Rota A-Virus die einzige Ursache für Y.P.D.S. ist.

Was sich nach allen diesen Vorträgen vor allem ergab, ist, dass gesunde Tauben häufig Träger von Herpesviren, Circoviren, Rotaviren und auch von Chlamydien sind. Von diesen Viren und Bakterien gibt es auch wieder verschiedene Unterarten, was die Produktion von einem wirksamen Impfstoff schwierig macht.

Des Weiteren gab es einen fesselnden Vortrag von Dr. Anna Sawicka-Dukralec (PL) über Mycoplasmen. Und auch hier stellte sich heraus, dass der Großteil unserer Tauben symptomlose Träger sind.

Nach mehreren vor allem technischen Vorträgen durfte ich als Letzter über meine Praxiserfahrung sprechen. Ein Mal mehr zeigte sich, dass die Praxis in der Taubenheilkunde immer einen Schritt voraus ist und dass wir über die immer bessere PCR-Diagnostik froh sein können, aber darüber müssen wir Taubenspezialisten uns auch im Klaren sein, dass das Labor nicht die Diagnose stellt. Nein, die Diagnose muss vom behandelnden Tierarzt gestellt werden, der dabei die Symptome (klinische Diagnostik) und die Labor-Ergebnisse berücksichtigt, und das bedeutet, dass etliche falsche Diagnosen gestellt werden, wenn man blind den Labor-Ergebnissen folgt.

Es war ein fesselnder Kongress dort in Warschau und Dank an Prof. Dr. Piotr Szeleszczuk und seine Mitarbeiter.

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