Eine Lektion in aktueller klinischer Diagnostik

Zurzeit werden wir wieder oft wegen spezieller Probleme bei alten und jungen Tauben konsultiert. Während wir es bei den alten Tauben nach zirka vier Flügen immer wieder mit Problemen der oberen Luftwege zu tun haben, sehen wir bei den jungen Tauben vor allem Magen-Darm-Probleme.

Alte Tauben aktuell

Das Problem besteht darin, dass die Tauben in den ersten Wochen gut nach Hause kamen und annehmbare Preise flogen, aber nach etwa vier Flügen nachlassen. Niedrigerer Preisprozentsatz, keine Spitzenpreise mehr. Bei etwa 90% der uns vorgestellten alten Tauben ist das das aktuelle Problem. Die oberen Luftwege sind „gereizt“, und das zeigt sich in abstehenden Federchen rund um die Ohren, rauen Hälsen (Federn liegen nicht schön an) und oft etwas verfärbten Nasenwarzen und Augenrändern. In einem späteren Stadium kommt noch dazu, dass sie weniger Daunen werfen, nicht mehr spontan baden wollen und weniger gut trainieren. Die Tauben verlieren durch diese Ornithosebeschwerden der oberen Luftwege die Form.
Wenn man solche Tauben weiterhin spielt, wird die Kondition schlechter und schlechter. Die Folge davon ist, dass gute bewährte Tauben auf relativ leichten Flügen verloren gehen können.

Es ist also logisch, dass man sie mit geeigneten registrierten Arzneimitteln behandeln muss, um sie schnell wieder in Form zu bringen. Das Problem dieser sogenannten „dicken Köpfe“ oder des „trockenen Schnupfens“ tritt viel öfter bei Männchen als bei Weibchen auf und mehr bei Jährigen als bei älteren Tauben. Das ist logisch, denn ältere Tauben sind schon länger dahingehend ausgelesen als Jährige, und Weibchen haben im Korb weniger Stress als Männchen.

Im Prinzip hängt das Problem mit der Zahl der Tauben im Korb und der Zahl der Nächte im Korb zusammen. Eine Frage der Ansteckung. Innerhalb von fünfzig Jahren hat sich wenig an diesem Bild verändert, und ich war schon am Anfang meiner Karriere von Spitzenzüchtern wie u.a. Piet Meevissen aus Meerssen und Mari Auwers aus Lith darauf aufmerksam gemacht worden. Es waren große Meister über viele Jahre mit einer verantwortlichen medizinischen Begleitung. Es waren auch persönliche Freunde, die eine Reihe unserer heutigen registrierten Tierarzneimittel auf Herz und Nieren getestet haben. Eine kurze dreitägige Behandlung genügt meistens, um die Tauben wieder „ins Gleis“ zu bekommen. Und nicht 14 Tage oder drei Wochen lang, wie es die Universität von Gent zum Beispiel bei Chlamydia-Infektionen vorschreibt. Diese Bakterie ist – zusammen mit u.a. Mycoplasmen, Haemophilus-Bakterien und zum Beispiel Streptokokken und Staphylokokken –  ein wichtiger Faktor bei diesem Ornithose-Komplex. Manchmal treten noch zusätzliche Komplikationen durch E.Coli- Bakterien (überall vorhanden) sowie Trichomonaden und Herpes auf.

Das kalte wechselhafte Wetter spielt bei diesem „Krankheitsbild“ auch eine Rolle.
Klinisch sieht man auch schon mal Schleimfäden im Schnabel, manchmal nasse Augen, trockene Federn, gähnen, schlucken usw. Meistens ist es nicht sinnvoll, Laboruntersuchungen zu machen, weil schlicht und einfach viele gesunde Tauben „Träger“ der genannten Erreger sind. Erst wenn das Gleichgewicht bei einer speziellen Immunität gestört ist, treten die Probleme auf.

Junge Tauben aktuell

Hier sehen wir ab und zu Ornithosebeschwerden, aber da sie noch nicht im Korb sitzen, sind die zu vernachlässigen. Das große Problem bilden die Magen-Darm-Beschwerden als Folge von Adeno-Coli. Vor etwa 8 Jahren ging man davon aus, dass Circoviren dabei eine wichtige Rolle spielen würden. Heute neigt die Wissenschaft jedoch zu der Annahme, dass Circoviren an und für sich absolut nichts Beunruhigendes verursachen, sondern immer zusammen mit allen bekannten Taubenkrankheiten gesehen werden müssen. Sie werden also sekundär aktiv und das nur während der ersten vier Monate des Taubenlebens. Eine interessante Theorie, die ich eigentlich schon seit vielen Jahren vertrete.

Adeno-Coli-Syndrom

Das Adeno-Coli-Syndrom gibt es schon seit fast 40 Jahren. Niemand weiß genau, warum die Krankheit so plötzlich ausbricht. Mit großer Sicherheit hat es etwas mit einer plötzlichen Veränderung der Darmflora zu tun, einer Veränderung des Milieus im Dünndarm als Folge von unter andrem Stress, wodurch sich alle möglichen E.Coli-Bakterien plötzlich von „nützlichem Vorhandensein“ zu einem „tödlichen Aggressor“ der Jungtaube ändern können.
Während einer Nacht werden plötzlich 50% der Tauben „krank“, sodass sie am folgenden Morgen erbrechen und grünbraunen, schleimigen Kot absetzen. So sah das Krankheitsbild am Anfang vor etwa 40 Jahren aus. Heute ist das alles etwas milder geworden, das heißt, weniger erkrankte Tauben, weniger Sterblichkeit, aber manchmal noch schwer zu heilen, obwohl es hervorragende registrierte Medikamente gibt. Wenn ein verlässliches, gutes Antibiotikum nach vier Tagen noch nicht anschlägt, müssen der betreffenden Züchter und der Tierarzt ernsthaft vermuten, dass mehr im Spiel ist als Adeno-Coli! Vor allem muss dann an Paramyxo gedacht werden.

Ich erkläre hier noch einmal kurz die klinischen Unterschiede.

Adeno-coli
Plötzliches Erbrechen und schlechter, grünlicher, schleimig-wässriger Kot. Die Tauben haben keine Fresslust und trinken wenig. Dass man regelmäßig fühlen kann, dass die Kröpfe voller Wasser sind, besagt nicht, dass sie viel trinken. Nein, das besagt einfach, dass das Wasser nicht durch den Kropf hindurchläuft, und das weist auf eine ernsthafte Darmentzündung hin. Eine Reihe von Jungtauben werden todkrank und sterben, wenn man nicht unverzüglich eingreift.

Paramyxo
Bei Paramyxo sehen wir auch oft eine schnelle Ausbreitung; todkranke, benommene Jungtauben, die im Allgemeinen kaum brechen, schlechten, grünen, wässrigen (schleimigen) Kot absetzen und viel trinken. Manchmal „schwimmt“ der Schlagboden förmlich. Sie sterben schneller und in größerer Zahl als bei Adeno-Coli. Außerdem sehen wir oft etwas später auch Nervenschäden.

Um die Sache für Züchter und Tierarzt komplizierter zu machen, sehen wir in den letzten zehn Jahren regelmäßig eine Kombination von Adeno-Coli mit Paramyxo. Leider wird das oft nicht rechtzeitig erkannt und demzufolge oft eine falsche Diagnose gestellt und falsch behandelt. Bei Paramyxo ist auch eine Behandlung möglich, die in einer sofortigen Impfung besteht, auch wenn die Tauben schon früher geimpft wurden (bis zu 6 Wochen früher). Wir haben festgestellt, dass die Inkubationszeit in der Praxis bis zu 6 Wochen betragen kann. Das heißt, dass eine Erkrankung an Paramyxo bis zu 6 Wochen nach der Impfung noch ausbrechen kann. Aber die Devise ist immer: Schnell erneut impfen, dann kann man noch viele Tauben retten.
Vorzugsweise sollte mit einem wässrigen Impfstoff geimpft werden, der in dieser Art von Fällen besser und schneller wirkt.

Bei einer guten Schilderung der Symptome, die ein Tierarzt mit Erfahrung durch Nachfragen präzisieren kann, kann er auch über große Entfernungen die Diagnose stellen.

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